„Wie würden heutige Kinder mobil telefonieren, wenn es für sie kostenlos wäre?“ lautet eine spannende und kontrovers diskutierte Frage. Wenn man davon ausgeht, dass Mobiltelefontarife in den kommenden Jahren massiv sinken werden, dann ist die Frage gar nicht so utopisch, wie sie auf den ersten Blick scheint.
Ist es wirklich so, dass nur die Kosten Kinder davon abhalten, dauernd und überall mit dem Handy zu telefonieren? Die Projektanlage des iPhone-Projekts an der Projektschule Goldau macht es unter anderem möglich, diese Frage ganz praktisch zu untersuchen: Weder die Kinder der Projektklasse noch ihre Eltern müssen bezahlen, wenn die Kinder telefonieren oder SMS versenden. Zumindest in finanzieller Hinsicht sind somit (theoretisch) keine Grenzen gesetzt. Die Kinder werden aber selbstverständlich dazu angehalten, das Mobiltelefon massvoll zu nutzen. Sie haben sich dies auch im selbst erarbeiteten Vertrag so auferlegt. Wie sieht nun die Praxis aus?
Nach dem ersten Wochenende, an welchem die Kinder das Mobiltelefon nach Hause nehmen durften, hat der Klassenlehrer Christian Neff die Kinder gefragt, wie sie denn das iPhone genutzt hätten:
„Ein Drittel hat nicht telefoniert, ein Drittel nur kurz, einer 40 Minuten und der Rest maximal 20 Minuten.“
‚“Sagen die Kinder“ sagt der Klassenlehrer. ‚ liesse sich einwerfen. Versuchen die Kinder ihre Mobiltelefonnutzung klein zu reden, wohlwissend dass dies einem erwünschten Verhalten entsprechen würde?
Im Projekt stehen uns monatlich detaillierte Einzelverbindungsnachweise zur Verfügung, die uns akribisch jedes SMS und jeden ausgehenden Telefonanruf mit Zeitpunkt, Zielnummer und bei Telefonaten auch der Dauer dokumentieren. Die nachfolgende Grafik zeigt alle 245 ausgehenden Telefonanrufe der 17 Kinder im Oktober 2009: Jedes ausgehende Telefonat ist mit einem Kreis im Diagramm repräsentiert, wobei der Ort im Diagramm den Zeitpunkt und der Durchmesser des Kreises die Dauer des Telefonats angibt (für grösseres Bild auf Grafik klicken).
Wirklich viel zeigt dieses Diagramm ja nicht. Gut sichtbar ist das mit 36 Minuten längste Telefonat an einem Sonntagabend, fast alle anderen Telefonate waren von zu kurzer Dauer, als dass sie überhaupt sichtbar sind, wenn für Zeitpunkt und Dauer dieselbe Skala verwendet wird. Im zweiten Diagramm wurden deshalb die Kreise um den Faktor 10 vergrössert. Gleichzeitig wurden die Unterrichtszeiten als gelbe Rechtecke ins Diagramm integriert (für grösseres Bild auf Grafik klicken):
Diese Grafik ist nun doch einiges aussagekräftiger. Vor allem zeigt sie, dass im Oktober 2009 praktisch nie im Unterricht telefoniert worden ist. Ein Nachschauen in den Originaldaten bringt ein einziges Telefonat an einem Freitagmorgen von 37 Sekunden zum Vorschein. Das ist für die am Projekt Beteiligten keine Überraschung: Telefonieren im Unterricht ist nicht vorgesehen. Die Grafik zeigt nun, dass es auch nicht vorkommt. Sie zeigt noch etwas anderes: Die durch den Klassenlehrer erhobenen und gebloggten Aussagen der Kinder werden durch die harten Daten bestätigt. Die Kinder (und der Klassenlehrer… ) berichten wahrheitsgemäss, was die Nutzung der Mobiltelefone betrifft ;-).
Auffallend ist auch, dass am Samstag deutlich häufiger telefoniert wird als am Sonntag. Woran liegt das? Hier sind weitere Nachforschungen und auch weitere Zahlen notwendig. Anfangs Dezember werden die Novemberzahlen vorliegen, die bereits stärker der Alltagsnutzung entsprechen dürften, da in den vorliegenden Zahlen vermutlich noch viele Testanrufe und ähnliches drin sein dürften.
Das Telefonat vom Freitag kann ich sogar erklären: Es war ein Schüler, dem es währende dem Unterricht übel wurde und ich liess ihn nach Hause telefonieren um abzuklären, ob jemand da ist, wenn er heimkommt.