Seit dem Schuljahr 2013/2014 arbeitet die Projektschule Goldau unter dem Slogan Brings mIT! primär mit den persönlichen Geräten der Schülerinnen und Schüler. Zuerst in fünf, unterdessen in allen 5. und 6. Klassen bringen die Kinder ihre eigenen Geräte mit – wer kein eigenes Gerät mitbringen will oder kann, erhält eines von der Schule zur Verfügung gestellt. Damit setzt die Projektschule Goldau die Grundidee von Bring your own device (BYOD) um, die bereits beim iPhone-Projekt von 2009 bis 2011 als Vision im Raum stand: Warum soll die Schule Geräte beschaffen, wenn die Schülerinnen und Schüler grossmehrheitlich bereits solche besitzen?
Christof Tschudi, der im August 2017 bereits den dritten Klassenzug mit BYOD gestartet hat, zieht ein positives Fazit: „BYOD funktioniert wunderbar„. Nicht alle am Projekt beteiligten Lehrpersonen würden das so euphorisch formulieren, vereinzelt wird durchaus spekuliert, ob das Handling nicht einfacher wäre, wenn alle das gleiche Gerät oder mindestens das gleiche Betriebssystem hätten. Die Kritik hält sich aber in Grenzen, andere Fragen des Einsatzes digitaler Medien sind an den Austauschtreffen relevanter.
Im Oktober 2017 habe ich per Twitter gefragt, welche Schweizer Volksschule (nicht Sek-II) ebenfalls mit mehr als einer Klasse auf BYOD setzt:
Die Reaktion war nicht dürftig – sie war niederschmetternd. Es fand sich keine einzige Schule. Kann das sein? Die Projektschule setzt nun bereits im 5. Jahr auf BYOD und keine einzige andere Volksschule – weder Primarschule noch Sekundarschule – folgt diesem Beispiel: Hat sich die Projektschule Goldau mit BYOD verrannt?
Aus meiner Sicht sind es drei vier Aspekte, warum BYOD an der Projektschule Goldau ab der 5. Klasse funktioniert, aber andernorts bisher meist als nicht umsetzbar oder wünschenswert angesehen wird:
- Die Bedeutung, welche die persönlichen Geräte an der Projektschule haben
- Die Art und Weise, wie die persönlichen Geräte eingesetzt werden
- Die Erfahrung der Lehrpersonen im Umgang mit persönlichen Geräten
- Die Unterstützung von BYOD durch die Schulleitung (Update 1.02.2018)
Gerätebedeutung
An der Projektschule Goldau sollen die persönlichen Geräte der Schülerinnen und Schüler Teil ihrer persönlichen Lernumgebung werden. Sie sollen die Geräte sowohl in der Schule als auch zu Hause nutzen und nach ihren Bedürfnissen konfigurieren können. Es ist somit unabdingbar, dass die Schülerinnen und Schüler auf ihren Geräten Administrationsrechte haben, aber als Teil der Medienkompetenz auch lernen müssen, ihre Geräte einzurichten und lauffähig zu halten (z.B. auch Speicherplatz für schulische Zwecke trotz privater Daten wie Filme und Spiele freizuhalten). Erfahrungsgemäss benötigt dies zu Beginn einige Zeit, funktioniert danach aber grösstenteils problemlos. Technische Aspekte (zum Beispiel Netzwerk-Verbindung, App-Download etc.) erfordern dabei meist keine Mithilfe der Lehrperson sondern werden vielfach von den Kindern untereinander geregelt.
Nicht nur die Geräteadministration durch die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Durchmischung von Privatem und Schulischem im persönlichen Gerät ist eine bewusste Entscheidung der Projektschule. Eine Schule, welche mit digitalen Werkzeugen primär das fachliche Lernen fördern will, fährt vermutlich mit einheitlichen und von der Schule verwalteten Geräten besser, verpasst aber damit zahlreiche Möglichkeiten der alltäglichen Medienkompetenzförderung.
Geräteeinsatz
An der Projektschule Goldau stehen die bereits ab Werk verfügbaren Funktionen der Smartphones und Tablets im Vordergrund: Produktion, Bearbeitung, Konsumation und Austausch von Texten, Bildern, Tönen und Videos; Recherche im Internet, Kalender-, Uhr- und Taschenrechnerfunktion. Daneben werden primär kostenlose Apps eingesetzt, die sowohl für iOS als für Android verfügbar sind (siehe z.B. die App-Empfehlungen von Cristof Tschudi vom Oktober 2017). Auch die Nutzung von Webanwendungen reduziert den Bedarf einer einheitlichen Ausstattung, da diese meist von allen Geräten gleich gut genutzt werden.
Der beschriebene Geräteeinsatz ist wiederum ein bewusster Entscheid der Projektschule Goldau. Eine Schule, die primär auf den didaktischen Mehrwert einzelner spezieller Apps setzt, benötigt unter Umständen einheitliche Geräte mit einer zentralen Verteilung dieser (unter Umständen kostenpflichtigen) Apps.
Sowohl die Gerätebedeutung als auch der Geräteeinsatz an der Projektschule führen dazu, dass eine zentrale Geräteverwaltung (MDM) an der Projektschule Goldau überflüssig oder kontraproduktiv wäre.
Erfahrung der beteiligten Lehrpersonen
Aussenstehende vermuten oft, dass insbesondere die Unterstützung durch die Pädagogische Hochschule Schwyz die Umsetzung eines BYOD-Konzepts ermöglicht hat. Während diese Vermutung zwar die PHSZ freut, gehen wir eher von einer anderen Ursache aus: Die ersten drei Lehrpersonen der Projektschule Goldau haben alle mindestens zwei Jahre Erfahrung mit einer homogenen 1:1-Ausstattung gesammelt, bevor sie mit BYOD-Klassen starteten. Sie haben somit die Erfahrung gemacht, dass die Umstellung auf persönliche Geräte (1) viel mehr gedankliche Belastung bedeutet als der Umstieg auf heterogene Geräte und Betriebssysteme (2). Die weiteren Lehrpersonen der Projektschule Goldau konnten von diesen Erfahrungen profitieren. Wer jedoch weder das eine noch das andere kennt, schreckt evtl. vor dem erwarteten Aufwand (3) zurück und kann die Aufwandsverteilung (1 und 2) nicht abschätzen.Es könnte somit sein, dass BYOD(-Akzeptanz) erst homogene 1:1-Erfahrungen benötigt (Biblionetz). Eine entsprechende Erfahrung berichten mindestens Mandy Schiefner, Richard Heinen und Michael Kerres 2013 aus der Gymnasialstufe (Biblionetz):
Die Vorerfahrung mit 1:1 war nach den Analysen der Schulleitungs- und Lehrerinterviews für die Schule eine wichtige Voraussetzung, um BYOD administrativ und didaktisch umsetzen zu können. Diese erste 1:1-Phase hat sehr zur allgemeinen Qualifikation der Lehrpersonen beigetragen, auch wenn es immer noch unterschiedliche Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien gibt. Durch die Historie als Laptopschule war das Unterrichten mit den privaten Geräten der Schülerinnen und Schüler und damit einhergehend mit einer heterogenen Ausstattungslandschaft für die beteiligten Lehrkräfte keine grosse Umstellung, denn die Lehrpersonen sind ein persönliches Arbeitsgerät auf Seiten der Schülerinnen und Schüler gewohnt. Für andere Schulen bedeutet dies, dass bei der Einführung von BYOD-Ansätze mit Sorgfalt vorgegangen werden sollte und umfangreiche Vorarbeiten hinsichtlich Administration und Kompetenzentwicklung aller Beteiligten sichergestellt werden sollten.
Unterstützung durch die Schulleitung
An der Projektschule Goldau wurden die Projekte mit persönlichen Geräten von Anfang an von Schulleitung und Schulrat intern gefördert und gegen aussen vertreten. Diese Unterstützung war während der Aufbauphase mit kritischen Gegenstimmen wichtig und verhindert auch heute noch, dass das Thema im laufenden Schulalltag untergeht.
Schulleitung und Schulrat übernehmen im Projekt die von Prasse & Scholl bereits 2001 definierten Rollen der Macht- und Prozesspromotoren (Biblionetz):
Eine breite und intensive Nutzung von Intemet- und Intranetanwendungen an Schulen wird sich am ehesten entwickeln, wenn:
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es einige Intemet-engagierte Lehrer – als Fachpromotoren – gibt, von denen
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der Intemet-Koordinator (Informatiklehrer) sich nicht als Experte absetzt, sondern eng mit ihnen zusammenarbeitet,
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die Schulleitung den Einführungsprozess aktiv unterstützt – als Machtpromotor und vorantreibt – als Prozesspromotor ,
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Aktiv-Lehrer, Informatikbereich und Schulleiter in einen gemeinsamem Prozess der Zielfindung für die Medienarbeit der Schule treten, um auf dieser Grundlage die inhaltliche und die technisch-organisatorische Gestaltung der Internet – und Intranetnutzung der Schule gestalten zu können,
Die MAS-Abschlussarbeit BYOD – Integration mobiler Geräte in der Schule von Christian Neff (2015) geht näher auf die grosse Bedeutung der Schulleitung in diesem Bereich ein.
Fazit
Bisher hat die Projektschule Goldau nicht das Gefühl, sich mit BYOD auf der Primarschulstufe (ab der 5. Klasse, nicht früher!) verrannt zu haben. Es liegt aber evtl. an der spezifischen Ausrichtung der Projektschule Goldau und den gemachten Vorerfahrungen, dass sich BYOD bisher andernorts auf der Primar- und Sekundarstufe nicht durchsetzen konnte. Wir bleiben dran 😉