schule leiten

In der Fachzeitschrift „schule leiten“ wurde mein Artikel publiziert, der sich mit unseren Erfahrungen über BYOD beschäftigt:

Der Artikel ist als PDF downlaodbar oder hier kann man lesen, was ich ursprünglich geschrieben habe:

BYOD – Bring your own device als Argument einer Schule: Christian Neff, Schulleiter

Gemäss Wikipedia liegt der gesellschaftliche Auftrag der Schule in der Entwicklung der Schüler zu mündigen und verantwortungsvollen Persönlichkeiten. Sie soll Bildung, also Wissen, Fähigkeiten und Werte im Unterricht gezielt vermitteln. Als weitere Aufgaben werden verschiedentlich Erziehung zur Ehrfurcht vor dem Leben, zur Bewahrung der Umwelt und Verantwortung für künftige Generationen genannt.

In dieser Beschreibung finden Gegner und Befürworter Gründe gegen oder für den Einsatz digitaler Meiden in der Schule. An meiner Schule in Goldau, einer Primarschule in der Schweiz, setzen wir seit Jahren auf die digitalen Werkzeuge, aus der Überzeugung heraus, dass wir die Aufgabe haben, Schülerinnen und Schüler auf das Leben nach der Schule vorzubereiten und wir glauben, dass die mobilen Alleskönner weiterhin eine Rolle im Leben spielen werden.

In der Masterarbeit zum Schulleiter habe ich die Gründe für die Förderung digitaler Medien in der Schule beleuchtet und die Rolle der Schulleitung bei der Umsetzung von Bring your own device untersucht.

Für «Schule Leiten»  entstand diese Kurzfassung über unsere Schule und meine Untersuchungen.

Projektschule Goldau

Die Projektschule Goldau ist ein gemeinsames Projekt der Pädagogischen Hochschule Schwyz und den Gemeindeschulen Arth-Goldau. In enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Medien und Schule werden innovative Lehr- und Lernszenarien mit digitalen Medien entwickelt und erprobt. An dieser Nahtstelle sollen wissenschaftliche Erkenntnisse in praktische Neugestaltungen überführt werden und umgekehrt Probleme der Praxis erkannt und zuhanden der Forschung formuliert werden. Die Projektschule ist auch ein Ort, an dem Studierende mit konkret
en Fragen der Forschung und Entwicklung in Kontakt treten können.

2009-2011 wurde im europaweit einzigartigen „iPhone-Projekt“ der Einsatz von persönlichen Smartphones untersucht. Im Anschlussprojekt „Digitaler Alltag“ waren bereits drei Klassen mit dem Einsatz von digitalen Kleincomputern beschäftigt und aktuell beschäftigt sich die Projektschule mit „bring your own device“ (BYOD) im Projekt „Brings mIT!“Im Projekt „Brings mIT!“ dürfen die Kinder der 5. & 6. Klassen persönliche digitale Kleincomputer in die Schule mitbringen und für schulische Zwecke nutzen. Für Kinder, die kein privates Gerät mitbringen, werden schuleigene Geräte zur Verfügung gestellt. Damit nutzen wir ökonomisch und ökologisch bereits verfügbare Ressourcen, um die Kinder auf das Leben und Lernen in einer digital durchdrungenen Welt vorzubereiten. Mit diesem Projekt haben Schülerinnen und Schüler jederzeit und überall ein persönliches Gerät zur Verfügung, mit dem sie lesen, schreiben, rechnen, zeichnen, fotografieren, Musik und Töne hören und aufzeichnen sowie bei verfügbarem Funknetz in der Schule und zuhause im Internet surfen und kommunizieren, aber auch spielen können. Die Kinder sollen das Gerät innerhalb und ausserhalb der Schule als Teil ihrer persönlichen Lern- Arbeits- und Freizeitumgebung nutzen lernen und damit emanzipiert und kritisch mit der ab jetzt immer verfügbaren Informations- und Kommunikationstechnologie umgehen lernen.

Das Projekt „Brings mIT!“ schafft keine komplett neue, utopisch anmutende Situation, sondern nimmt die gesellschaftliche Entwicklung auf, untersucht ihr didaktisches Potenzial und liefert dringend notwendige Erfahrungen zu BYOD an Schweizer Primarschulen. Bisher wird diese Entwicklung von Schulen wenig genutzt oder medienpädagogisch begleitet. Oft werden die Geräte in der Schule einfach verboten. Damit ignoriert die Schule einerseits die didaktischen Potenziale, die sich ergeben, wenn alle Kinder täglich einen Fotoapparat, ein Sprachlabor, ein mehrbändiges Lexikon, eine Weltkarte, ein Diktiergerät und vieles mehr in der Hosentasche haben. Andererseits verpasst die Schule aber auch die Möglichkeit, Fragen von Sucht und Missbrauch zu thematisieren und eine sinnvolle, kritisch emanzipierte Nutzung aufzuzeigen und einzuüben.

Leitmedienwechsel

Prof. Dr. Beat Döbeli Honegger beschreibt in Buch «mehr als 0 und 1» den Leitmedienwechsel und seine Auswirkungen auf die Gesellschaft und vor allem auf di
e Schule. Er erläutert, dass neue Kommunikationsmöglichkeiten zu neuen Gesellschaftsformen geführt haben.

Die Sprache war der Auslöser für Stammesgesellschaften, die Schrift für antike Hochkulturen und der Buchdruck für die moderne Gesellschaft. Der Computer wird nun zum Auslöser einer neuen Gesellschaftsform. Die Potenziale dieser Veränderungen sind für die Menschheit enorm. Das Wissen ist nicht mehr nur in einzelnen Büchern und in Bibliotheken zugänglich, es steht für die gesamte Bevölkerung, zumeist kostenlos, im Internet bereit. Auch den Schülerinnen und Schülern steht deutlich mehr Wissen auf einfachere Art und Weise zur Verfügung.

Das erste Smartphone (iPhone) kam zwar erst seit 2007 auf dem Markt, aber diese Geräte haben unsere Art der Kommunikation, des Arbeitens und sogar der Freizeitbeschäftigung derart verändert, wie kein Medium davor in derselben Zeitspanne.

Die Schule muss ihre Lehr- und Lernmethoden, sowie die gelehrten Inhalte fortlaufend anpassen. Kompetenzen, die heute als nicht wichtig erachtet werden, können für die berufliche Zukunft der Jugendlichen entscheidend sein. Das aktuelle Bildungssystem muss sich gedanklich von der Buchkultur lösen und es sind neue Lösungsansätze gefragt. Die herkömmliche Schule mit dem Leitmedium „Buch“ muss sich folglich mit dem neuen Leitmedium auseinandersetzen und sich weiterentwickeln. Da sich die gesamte Gesellschaft und mit ihr auch die Arbeitswelt dank der neuen Technologien rasch verändert hat, sind neue Kompetenzen gefragt. Thissen beschreibt in «Mobiles Lernen in der Schule» die drei wichtigsten neuen Kompetenzen wie folgt:

  • • Kritisches Denken und Problemlösen (Expertendenken)
  • • Kommunikation und Kollaboration mit unterschiedlichsten Partnern (komplexe Kommunikation)
  • • Kreativität und Innovation (angewandte Imagination)

Auch Costa beschreibt in «Digital Learning fol All Now» notwendige Kompetenzen:

  • • Informationen filtern und bewerten
  • • Probleme lösen
  • • kommunizieren auf verschiedenen Kanälen
  • • eigenständig arbeiten
  • • kooperativ arbeiten
  • • kreatives, innovatives und kritisches Denken
  • • kontinuierliches und selbstgesteuertes Lernen

Die Schule hat die Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler auf die Welt nach der Schulzeit vorzubereiten und dazu ist es notwendig, periodisch die gelehrten Kompetenzen bezüglich ihrer Relevanz zu überprüfen. Sie muss sich der gesellschaftlichen Entwicklung annehmen und sich ebenfalls weiterentwickeln. Dass dies erst vereinzelt passiert, mag doch etwas erstaunen, denn noch nie brachten so viele Schülerinnen und Schüler ihre privaten Geräte mit in der Schule und sind auch bereit, diese einzusetzen. An vielen Schulen wird dieses Potenzial nicht genutzt, bzw. in den meisten Fällen sogar aktiv verhindert.

Die Projektschule Goldau und auch viele weitere Schulen zeigen, dass nicht das Chaos ausbricht, wenn man die Geräte in den Unterricht integriert, sondern vielfältige Möglichkeiten für guten Unterricht entstehen.

Rolle der Schulleitung

Ich habe für meine Masterarbeit Interviews mit Verantwortlichen und Schulleitern geführt, welche an ihrer Schule persönliche Geräte zulassen. Die Aussagen wurden in der Folge wissenschaftlich ausgewertet und zusammengefasst. Es erstaunt nicht, dass alle Expertinnen und Experten sich einig sind, dass die wichtigste Ressource ein Schulleiter oder eine Schulleiterin ist, der diese Veränderung der Schulkultur unterstützt. Es reicht nicht, dass eine Schulleitung solche Projekte nur toleriert, sondern sie soll diese fördern. Entsprechend den unterschiedlichen Projekten der befragten Expertinnen und Experten, ergeben sich auch verschiedene Aufgaben der Schulleitung. Bei Projekten, welche durch eine Lehrperson initiiert wurden, ist es eher eine passive Rolle und bei Projekten, welche die ganze Schule betreffen natürlich eine aktive Rolle.

Die passive Rolle der Schulleitung betrifft zwei Aspekte. Erstens die eigene Einstellung dem Thema gegenüber und zweitens die Unterstützung der Akteure. Es liegt auf der Hand, dass die Schulleitung gegenüber neuen Medien grundsätzlich positiv eingestellt sein muss. Nur wenn die positive Einstellung vorhanden ist, kann eine Ermöglichung stattfinden. Die Unterstützung von initiativen Lehrpersonen oder Lehrpersonengruppen ist sehr wichtig. Die Schulleitung soll den Verantwortlichen den Rücken stärken.

Die aktive Rolle der Schulleitung ist gefordert, wenn BYOD nicht nur in einzelnen Klassen erlaubt wird, sondern die ganze Schule eine BYOD-Strategie fahren will. Die Rolle der Schulleitung ist, dass sie einmal klarmachen muss, aufzeigen muss, warum man in der Schule diese digitalen ‚Bring Your Own Device‘-Gadgets einführen möchte, warum man mobile Geräte nutzen möchte. In der Planung ist die Hauptleistung der Schulleitung, die Fahne aufrechtzuerhalten, also Zuversicht zu bewahren, dass es sinnvoll und machbar ist. Ausserdem ist die Schulleitung dafür verantwortlich, dass alle Akteure immer wieder miteinander sprechen und sich stetig weiter entwickeln. Sie muss aber auch immer wieder auf Unterrichtsentwicklung hinwirken und sicherstellen, dass mit ganz kleinen Projekten die Geräte von den Kindern auch wirklich eingesetzt werden und dafür sorgen, dass es nicht irgendwie verwässert. Es ist aber auch eine Aufgabe, zu ermöglichen, dass die Lehrperson es wirklich in Ruhe umsetzen kann. Diese Veränderung braucht Zeit und muss nicht schon nach zwei Monaten evaluiert werden.

Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass die Schulleitung eine Schlüsselrolle hat und ihr Handeln entscheidend für den Erfolg ist. Wagen Sie den Schritt und begeben Sie sich mit Ihrer Schule auf den Weg in die Zukunft – es lohnt sich.

Quellen:

Döbeli, B. (2016). Mehr als 0 und 1. Bern: hep verlag ag

Costa, J. P. (2012). Digital Learning for All Now. A School Leader’s Guide for 1:1 on a Budget. Thousand Oaks: Corwin.

Thissen, F.(2013). Mobiles Lernen in der Schule. (eBook). http://www.frank-thissen.de/ibook_gut.pdf

Die Projekte und Erfahrungen sind auf dem Weblog (www.projektschule-goldau.ch) ausführlich durch die beteiligten Lehrpersonen und durch die Projektleitung dokumentiert und auch die zitierte Masterarbeit steht zum Downlaod bereit.

Autor:

Christian Neff war Lehrer an der Projektschule Goldau und der Klassenlehrer im iPhone-Projekt von 2009-2011 und 2011-2013 im Projekt „Digitaler Alltag“. Er hat somit mehrere Jahre Erfahrung mit 1:1-Ausstattungen in der Primarschule (konkret 5./6. Klasse). Unterdessen ist er Schulleiter in der gleichen Schule. Als freier Mitarbeiter der PH Schwyz betreut er das BYOD-Projekt „Brings mIT!” an seiner Schule mit 12 Schulklassen. Durch seine langjährige Tätigkeit als Lehrer und aktuell als Schulleiter, sowie seinem Kontakt zur PH und nicht zuletzt aufgrund seiner Masterarbeit kann er somit als Praktiker und Theoretiker über „bring your own device” in Schulen berichten.

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