Hat BYOD in der Primarschule Zukunft? (Update vom 1.02.18)

Seit dem Schuljahr 2013/2014 arbeitet die Projektschule Goldau unter dem Slogan Brings mIT! primär mit den persönlichen Geräten der Schülerinnen und Schüler. Zuerst in fünf, unterdessen in allen 5. und 6. Klassen bringen die Kinder ihre eigenen Geräte mit – wer kein eigenes Gerät mitbringen will oder kann, erhält eines von der Schule zur Verfügung gestellt. Damit setzt die Projektschule Goldau die Grundidee von Bring your own device (BYOD) um, die bereits beim iPhone-Projekt von 2009 bis 2011 als Vision im Raum stand: Warum soll die Schule Geräte beschaffen, wenn die Schülerinnen und Schüler grossmehrheitlich bereits solche besitzen?

Christof Tschudi, der im August 2017 bereits den dritten Klassenzug mit BYOD gestartet hat, zieht ein positives Fazit: „BYOD funktioniert wunderbar„. Nicht alle am Projekt beteiligten Lehrpersonen würden das so euphorisch formulieren, vereinzelt wird durchaus spekuliert, ob das Handling nicht einfacher wäre, wenn alle das gleiche Gerät oder mindestens das gleiche Betriebssystem hätten. Die Kritik hält sich aber in Grenzen, andere Fragen des Einsatzes digitaler Medien sind an den Austauschtreffen relevanter.

Im Oktober 2017 habe ich per Twitter gefragt, welche Schweizer Volksschule (nicht Sek-II) ebenfalls mit mehr als einer Klasse auf BYOD setzt:

Die Reaktion war nicht dürftig – sie war niederschmetternd. Es fand sich keine einzige Schule. Kann das sein? Die Projektschule setzt nun bereits im 5. Jahr auf BYOD und keine einzige andere Volksschule – weder Primarschule noch Sekundarschule – folgt diesem Beispiel: Hat sich die Projektschule Goldau mit BYOD verrannt?

Aus meiner Sicht sind es drei vier Aspekte, warum BYOD an der Projektschule Goldau ab der 5. Klasse funktioniert, aber andernorts bisher meist als nicht umsetzbar oder wünschenswert angesehen wird:

  1. Die Bedeutung, welche die persönlichen Geräte an der Projektschule haben
  2. Die Art und Weise, wie die persönlichen Geräte eingesetzt werden
  3. Die Erfahrung der Lehrpersonen im Umgang mit persönlichen Geräten
  4. Die Unterstützung von BYOD durch die Schulleitung (Update 1.02.2018)

Gerätebedeutung

An der Projektschule Goldau sollen die persönlichen Geräte der Schülerinnen und Schüler Teil ihrer persönlichen Lernumgebung werden. Sie sollen die Geräte sowohl in der Schule als auch zu Hause nutzen und nach ihren Bedürfnissen konfigurieren können. Es ist somit unabdingbar, dass die Schülerinnen und Schüler auf ihren Geräten Administrationsrechte haben, aber als Teil der Medienkompetenz auch lernen müssen, ihre Geräte einzurichten und lauffähig zu halten (z.B. auch Speicherplatz für schulische Zwecke trotz privater Daten wie Filme und Spiele freizuhalten). Erfahrungsgemäss benötigt dies zu Beginn einige Zeit, funktioniert danach aber grösstenteils problemlos. Technische Aspekte (zum Beispiel Netzwerk-Verbindung, App-Download etc.) erfordern dabei meist keine Mithilfe der Lehrperson sondern werden vielfach von den Kindern untereinander geregelt.

Nicht nur die Geräteadministration durch die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Durchmischung von Privatem und Schulischem im persönlichen Gerät ist eine bewusste Entscheidung der Projektschule. Eine Schule, welche mit digitalen Werkzeugen primär das fachliche Lernen fördern will, fährt vermutlich mit einheitlichen und von der Schule verwalteten Geräten besser, verpasst aber damit zahlreiche Möglichkeiten der alltäglichen Medienkompetenzförderung.

Geräteeinsatz

An der Projektschule Goldau stehen die bereits ab Werk verfügbaren Funktionen der Smartphones und Tablets im Vordergrund: Produktion, Bearbeitung, Konsumation und Austausch von Texten, Bildern, Tönen und Videos; Recherche im Internet, Kalender-, Uhr- und Taschenrechnerfunktion. Daneben werden primär kostenlose Apps eingesetzt, die sowohl für iOS als für Android verfügbar sind (siehe z.B. die App-Empfehlungen von Cristof Tschudi vom Oktober 2017). Auch die Nutzung von Webanwendungen reduziert den Bedarf einer einheitlichen Ausstattung, da diese meist von allen Geräten gleich gut genutzt werden.

Der beschriebene Geräteeinsatz ist wiederum ein bewusster Entscheid der Projektschule Goldau. Eine Schule, die primär auf den didaktischen Mehrwert einzelner spezieller Apps setzt, benötigt unter Umständen einheitliche Geräte mit einer zentralen Verteilung dieser (unter Umständen kostenpflichtigen) Apps.

Sowohl die Gerätebedeutung als auch der Geräteeinsatz an der Projektschule führen dazu, dass eine zentrale Geräteverwaltung (MDM) an der Projektschule Goldau überflüssig oder kontraproduktiv wäre.

Erfahrung der beteiligten Lehrpersonen

Aussenstehende vermuten oft, dass insbesondere die Unterstützung durch die Pädagogische Hochschule Schwyz die Umsetzung eines BYOD-Konzepts ermöglicht hat. Während diese Vermutung zwar die PHSZ freut, gehen wir eher von einer anderen Ursache aus: Die ersten drei Lehrpersonen der Projektschule Goldau haben alle mindestens zwei Jahre Erfahrung mit einer homogenen 1:1-Ausstattung gesammelt, bevor sie mit BYOD-Klassen starteten. Sie haben somit die Erfahrung gemacht, dass die Umstellung auf persönliche Geräte (1) viel mehr gedankliche Belastung bedeutet als der Umstieg auf heterogene Geräte und Betriebssysteme (2). Die weiteren Lehrpersonen der Projektschule Goldau konnten von diesen Erfahrungen profitieren. Wer jedoch weder das eine noch das andere kennt, schreckt evtl. vor dem erwarteten Aufwand (3) zurück und kann die Aufwandsverteilung (1 und 2) nicht abschätzen.Es könnte somit sein, dass BYOD(-Akzeptanz) erst homogene 1:1-Erfahrungen benötigt (Biblionetz). Eine entsprechende Erfahrung berichten mindestens Mandy Schiefner, Richard Heinen  und Michael Kerres 2013 aus der Gymnasialstufe (Biblionetz):

Die Vorerfahrung mit 1:1 war nach den Analysen der Schulleitungs- und Lehrerinterviews für die Schule eine wichtige Voraussetzung, um BYOD administrativ und didaktisch umsetzen zu können. Diese erste 1:1-Phase hat sehr zur allgemeinen Qualifikation der Lehrpersonen beigetragen, auch wenn es immer noch unterschiedliche Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien gibt. Durch die Historie als Laptopschule war das Unterrichten mit den privaten Geräten der Schülerinnen und Schüler und damit einhergehend mit einer heterogenen Ausstattungslandschaft für die beteiligten Lehrkräfte keine grosse Umstellung, denn die Lehrpersonen sind ein persönliches Arbeitsgerät auf Seiten der Schülerinnen und Schüler gewohnt. Für andere Schulen bedeutet dies, dass bei der Einführung von BYOD-Ansätze mit Sorgfalt vorgegangen werden sollte und umfangreiche Vorarbeiten hinsichtlich Administration und Kompetenzentwicklung aller Beteiligten sichergestellt werden sollten.

Unterstützung durch die Schulleitung

An der Projektschule Goldau wurden die Projekte mit persönlichen Geräten von Anfang an von Schulleitung und Schulrat intern gefördert und gegen aussen vertreten. Diese Unterstützung war während der Aufbauphase mit kritischen Gegenstimmen wichtig und verhindert auch heute noch, dass das Thema im laufenden Schulalltag untergeht.

Schulleitung und Schulrat übernehmen im Projekt die von Prasse & Scholl bereits 2001 definierten Rollen der Macht- und Prozesspromotoren (Biblionetz):

Eine breite und intensive Nutzung von Intemet- und Intranetanwendungen an Schulen wird sich am ehesten entwickeln, wenn:

  • es einige Intemet-engagierte Lehrer – als Fachpromotoren – gibt, von denen

  • der Intemet-Koordinator (Informatiklehrer) sich nicht als Experte absetzt, sondern eng mit ihnen zusammenarbeitet,

  • die Schulleitung den Einführungsprozess aktiv unterstützt – als Machtpromotor und vorantreibt – als Prozesspromotor ,

  • Aktiv-Lehrer, Informatikbereich und Schulleiter in einen gemeinsamem Prozess der Zielfindung für die Medienarbeit der Schule treten, um auf dieser Grundlage die inhaltliche und die technisch-organisatorische Gestaltung der Internet – und Intranetnutzung der Schule gestalten zu können,

Die MAS-Abschlussarbeit BYOD – Integration mobiler Geräte in der Schule von Christian Neff (2015) geht näher auf die grosse Bedeutung der Schulleitung in diesem Bereich ein.

Fazit

Bisher hat die Projektschule Goldau nicht das Gefühl, sich mit BYOD auf der Primarschulstufe (ab der 5. Klasse, nicht früher!) verrannt zu haben. Es liegt aber evtl. an der spezifischen Ausrichtung der Projektschule Goldau und den gemachten Vorerfahrungen, dass sich BYOD bisher andernorts auf der Primar- und Sekundarstufe nicht durchsetzen konnte. Wir bleiben dran 😉

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7 Responses to Hat BYOD in der Primarschule Zukunft? (Update vom 1.02.18)

  1. 4. Es braucht LernApps die auf allen Devices (iPad, iPhone, Smartphones, Tablets, Notebooks, Stationen Mac und PC) genau gleich funktionieren.

    Doebeli: „Auch die Nutzung von Webanwendungen reduziert den Bedarf einer einheitlichen Ausstattung, da diese meist von allen Geräten gleich gut genutzt werden.“

    Ich habe 17 LernApps entwickelt, die in Apples App Store verfügbar sind, aber auch z. B. auf einem Samsung Smartphone als WebApp gratis funktionieren.

    Lernende mit iPad oder iPhone finden die LernApps in Apple App-Store mit dem Suchwort „lernklick“ mit Anführungs- und Schlusszeichen. Für die Arbeit brauchen diese kein Internet.

    Lernende mit allen andern Marken finden die Web-Apps gratis im Internet auf http://www.lernklick.ch. Die WebApps laufen mit einem Klick direkt auf Stationen PC oder Mac, Tablets, Smartphones, alles was Internet hat, ohne Codewörter und ohne Installation.

    Die 17 Lern-Apps sind für Primar- und Oberstufe programmiert von einer Lehrperson. Die Lern-Apps entsprechen den offiziellen Lehrmitteln und dem Lehrplan 21.

    Für die Primarschule eignen sich: iWortarten, iWildtiere, iSchweiz, iSee, Städte Schweiz, i7Sachen
    Für die Oberstufe: Grips gratis, mathapp LU 8 Bruchrechnen, mathapp LU 14 Wasserstand und andere Graphen, iPhysik 1, iPhysik 2, iMegastädte, iGeometrie, mathapp LU3 rechnen – schätzen – überschlagen, mathapp LU 6 Koordinaten (Die Mathematik Apps entsprechen dem mathbuch).

    Andres Streiff, Medienpädagoge

  2. Beat Döbeli Honegger says:

    Nein Andreas, ich glaube nicht, dass es unbedingt LernApps braucht, die auf allen Geräten genau gleich funktionieren. Es braucht Schülerinnen und Schüler, die mit den Unterschieden umgehen können. (Ja, das war jetzt sehr pauschal formuliert, natürlich macht es das Leben einfacher, wenn die Apps gleich oder ähnlich funktionieren. Aber das ist nicht das Wesentliche an digitalen Medien in der Schule.)

  3. Hallo Beat

    ich habe gelesen, dass das Feedback niederschmetternd war. Ich wollte dich darum wissen lassen, dass wir von imedias einen Lehrer aus Effingen bei seinem BYOD unterstützt haben. Er hat an der KommSchau mit mir zusammen einen Workshop geleitet. Der Workshop war zwei Mal komplett ausgebucht und das Interesse von Schulleitungen und Behörden sehr gross. Du kennst den Lehrer sogar: es ist Markus Wittwer – er arbeitete früher an der Schule Erlinsbach und unterrichtet heute in Effingen, wo er das Projekt auch durchgeführt hat. Er hat ein durchwegs positives Fazit gezogen und bei der Planung und Durchführung des Projekts hat er sich/haben wir uns stark an eurem Projekt orientiert. Es war unter dem Strich ein voller Erfolg. Hier die Links: http://www.ph.fhnw.ch/apps/kommschau-2017/index.cfm?show=show_workshops.cfm&ws_id=2143 und hier die viel wichtiger die Slides: http://www.ph.fhnw.ch/apps/kommschau-2017/index.cfm?show=show_downloads.cfm&textID=0&navParentID=315#Downloads%2FWS-B4

  4. Beat Döbeli Honegger says:

    Lieber Stan,

    danke für deine Rückmeldung und die Hinweise auf die Präsentation und Umfrage! Cool – aber es ist eine einzige Lehrperson. Vielleicht ein Anfang, aber mir fehlen weiterhin Beispiele, wo an einer Volksschule in mehr als einer Klasse BYOD gemacht wird mit Unterstützung der Schulleitung.

  5. Beat Rüedi says:

    Ich habe von 2009 bis zum meiner Pensionierung 2015 auf der Sekundarstufe I BYOD-isch unterrichtet – das heisst, ich habe mit den B- und C-Klassen nur während des 1. Semesters 2009 BYOD-isch unterrichtet – mit den A-Klassen bis 2015. Ich bin nach wie vor der Ueberzeugung, dass das Smartphone ein herausragendes Lehr- und Lerninstrument ist – einfach nicht während des Präsenzunterrichts. Dort ist es aber ein ebenso hervorragendes Präsentationsmittel.

  6. Roman says:

    Soweit ich weiss, wird BYOD wird auch an der Schule Altstätten SG genutzt.

  7. Vielen Dank für die guten Argumente, Beat.

    Im Kommentar oben wird die Schule Altstätten SG angesprochen. Ich habe mich auf die Umfrage von Beat nicht gemeldet, weil wir immer noch auf dem Weg zu BYOD sind.

    Unsere Lehrpersonen haben sich bei einer Umfrage 2014 für BYOD ausgesprochen (vgl. https://wp.me/p1Ml8G-Fp). Eigentlich wäre alles vorhanden, aber die schülereigenen Geräte werden trotzdem nicht (überall) regelmässig eingesetzt. Dies hat verschiedene Gründe, viele davon hat Beat in diesem Blogbeitrag aufgeführt. Gemäss Rückmeldungen von Lehrpersonen hat es auch damit zu tun, dass unsere Poolgeräte (vgl. z.B. https://wp.me/p1Ml8G-1dJ) problemlos funktionieren und darum häufig diese für die ganze Klasse eingesetzt werden. Es hat auch damit zu tun, dass die Gerätevielfalt ein paar zusätzliche Probleme mit sich bringt, und auch wegen dem Zertifikat, das wir für die Contentfilterung auch auf den privaten Geräten installieren müssen (vgl. https://wp.me/p1Ml8G-1rO).

    Wahrscheinlich gibt es noch viele weitere Schulen, die an einem ähnlichen Punkt wie wir stehen: Für eine flächendeckende und regelmässige Nutzung fehlt es an dem einen oder anderen Punkt von Beats Aufzählung.

    Wir werden aber dranbleiben. Vielleicht kann ich ja die nächste Umfrage von Beat zu BYOD mit einem beherzten „Wir“ beantworten 😉

    Christian Krüsi, Informatik Schule Altstätten

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