Ich möchte hier ein paar Gedanken eines „ganz normalen“ Lehrers zum Brief der Direktorin der EKSD Isabelle Chassot über die Ausstattung der Schulen mit Tablet Computern loswerden. Beat Döbeli hat in Fribourg die Haltung vertreten, dass man sehr wohl gut überlegen und planen müsse, aber die im Brief genannten Probleme teilweise keine seien. So sei auch im iPhone-Projekt die Kritik gekommen, es gäbe noch keine Lehrmittel, aber das Projekt habe eigentlich genügend Einsatzszenarien auch ohne passende Lehrmittel gefunden.
Es ist in der Tat so, dass man keine Lehrmittel dazu braucht…. – wenn man innovativ genug ist. Beat Döbeli scheint dabei aber zu vergessen, dass er es – in seiner Welt – mit Christian Neff (und anderen ICT-Pionieren) zu tun hast. Sie erstellen selbständig Karteikarten in „Remme“ und kontaktieren sogar deren Erfinder, um das System vollumfänglich nutzen zu können. Sie durchsuchen den App-Store nach guten Programmen, die man sinnvoll einsetzen kann. Sie geben viel Geld für ihre persönliche ICT aus, damit sie wissen, was kommt und was sein wird. Sie sind technisch absolut versiert und kennen jeden Kniff, damit ICT-Probleme keine Probleme mehr sind. Sie sind die Piloten und Pioniere der „Tablets/iPods/iPhones und Wasweissichnochalles in der Schule“. Sie können unmöglich als „normale“ Lehrpersonen durchgehen.
Ein „normaler“ Lehrer begrüsst die Gedanken von Frau Chassot. Sie denkt richtig, bevor die Gemeinde (um Dranzubleiben) wieder haufenweise Geld für ICT ausgibt, die dann im Schulzimmer verstaubt, weil „Normalo“-Lehrer nicht damit umzugehen weiss. Wie auch? Es dauert bekanntlich Jahre, bis sowas einigermassen funktioniert. Eine sinnvolle Vorbereitung der Lehrpersonen auf den „digitalen Alltag“ ist also absolut korrekt und absolut notwendig.
Wenn man sieht, wie viele Menschen nicht einmal wissen, wie man im „Word“ Tabellen nach seinen Wünschen verändern oder Bilder so bearbeiten kann, damit sie optimal auf’s Arbeitsblatt passen, dann würde man Isabelle Chassots Vorbehalte verstehen. Man verstehe mich nicht falsch, innovative Arbeit in Ehren… – aber man darf die „Normalos“ unter all den innovativen Lehrpersonen nicht vergessen, die seit Jahren unermüdlich unterrichten und schon viele Veränderungen durchmachen mussten und sich – als pädagogischer Zehnkämpfer – nicht nur in ICT perfekt auskennen müssen, sie müssen auch das Schwimmbrevet haben, den CPR-Kurs machen, Elektrizität oder Magnetismus verstehen, Geschichte spannend vermitteln können, alle Schweizer Berge benennen können, jedes Dorf kennen, zaubern können, sich an der Stange hochziehen können, eine Bandsäge benutzen, einen Bohrer korrekt einstellen und damit umzugehen wissen, einen Kopierer sparsam bedienen, Bilder malen, Farben mischen, zeichnen können, kontrollieren, fotografieren, diskutieren, Inhalte korrekt vermitteln, Fernseher oder Dia-Projektoren bedienen, an der Wandtafel schön schreiben und manchmal sogar kleine Kamele durch Nadelöhre stossen…
Solange es Leute wie Frau Chassot gibt, wäre die Schule eine bessere. Sie überlegt vorher. Hätte es Frau Chassot schon beim Frühenglisch, beim Frühfranzösisch, bei der integrativen Förderung oder bei der integrierten Sonderschule gegeben, die Schule wäre heute klüger, als dass sie es ist. Sie ist zum „Schlachtfeld“ der aufstrebenden Politiker und Vordenker verkommen, die glauben zu wissen, was für die Kinder der Zukunft das Beste ist. Hallo? Noch nach über 20 Jahren täglicher Arbeit mit Kindern würde ich niemals behaupten, dass ich wüsste, was für die Kinder der Zukunft besser sein wird. Das „Jetzt“ bewusster zu leben, wäre sinnvoller. Und es ist (und war) die Jugend, die uns sagt, welche Bedürfnisse sie hat. Wir versuchen lediglich, diese möglichst früh zu erkennen, uns denen ein wenig anzupassen und dann den vom Lehrplan vorgegebenen Stoff möglichst „kindsgerecht“… ähm, ich meine stufengerecht zu vermitteln.
Natürlich: iPod Touch oder iPad sind geniale Instrumente für einen effizienten und zielorientierten Unterricht, welche mir persönlich viele neue Möglichkeiten bieten und eröffnen. Mir, der weiss, wie man schnell einen Diktattext aufnimmt und ihn allen Kindern als MP3 verschickt, damit sie ihn zuhause vorbereiten können. Und dies – wohl gemerkt von der „Geburt der Idee“ bis zur Vollendung – alles zwischen 7:30 – 7:45 Uhr, damit ich noch Zeit für meinen Morgenkaffee habe, um Christian Neff zu fragen, welche Erfahrungen er damals mit den seinen MP3-Diktaten gemacht hat, bevor es um 7:55 Uhr zum Unterricht klingelt.
Aber ich bin ja auch kein „normaler“ Lehrer, oder doch? Somit bleibt mir nur zu sagen: Bravo Frau Isabelle Chassot für Ihren Brief und danke für ihre begründeten Vorbehalte!